Pfarrer über die neue rechte Gewalt: „AfD-Ergebnisse ermutigen die Jugendlichen“

Nach der Razzia der Bundesanwaltschaft gegen die mutmaßlichen Jung-Rechtsextremen der „Letzten Verteidigungswelle“ schaut das ganze Land verwundert auf ein nur scheinbar neues Phänomen: Jugendliche und Heranwachsende, die sich in sehr jungen Jahren rechtsextrem radikalisieren, in den sozialen Netzwerken vernetzt sind und ihre Gewalt auf die Straße tragen.
Für Pfarrer Lukas Pellio aus Cottbus aber kommt diese Entwicklung nicht überraschend. „Es treten immer mehr extrem junge Neonazis im öffentlichen Raum in Südbrandenburg auf“, sagt der Kirchenmann, der sich auch im Bündnis „Unteilbar Südbrandenburg” organisiert. „Sie werden erkennbarer, sie verstecken sich nicht mehr, und sie sind auf Aktionen aus.“

Der Cottbuser Studierendenpfarrer Lukas Pellio.
Quelle: Margarete Blumenthal
Pellio engagiert sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus in der AfD-Hochburg Südbrandenburg. Er bekam einen Preis für Zivilcourage, und er hat seine eigenen Erfahrungen mit rechtsextremen Einschüchterungsversuchen gemacht: Als er noch Pfarrer in Spremberg war, hisste er die Regenbogenfahne an der evangelischen Kirche. Nachts flog ein Molotowcocktail gegen den Glockenturm. Inzwischen ist Pellio Studierendenpfarrer in Cottbus.
Die Wahlkämpfe der vergangenen Monate, erst zur Brandenburger Landtagswahl und dann zur Bundestagswahl, und das immer selbstbewusstere Auftreten der AfD sieht Pellio als Beschleuniger.
Er sagt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Ich beobachte dieses seit der Landtagswahl im September 2024 und den damit verbundenen hohen Zuwächsen der AfD. Durch die Wahlergebnisse werden diese Jugendlichen ermutigt, jetzt selbst zur Tat zu schreiten. Die AfD ist ja stolz darauf, wie viele Jugendliche sich für sie interessieren.“
Auch äußerlich orientieren sich rechtsextreme Jugendliche wieder stärker an dem klassischen Neonazi-Look mit Bomberjacke und Springerstiefeln aus den „Baseballschlägerjahren” der 1990er – nur dass es jetzt um ein Wechselspiel von digitaler Vernetzung und Straßengewalt gehe.
„Das Auftreten dieser Jugendlichen kenne ich aus Tiktok-Videos der einschlägigen Gruppen wie ‚Deutsche Jugend voran‘. Und aus diesen Tiktok-Videos werden dann reale Taten", beobachtet Pellio. „Diese Gruppen sind anscheinend nicht mehr straff hierarchisch organisiert, aber auf jeden Fall aktionsorientiert. Zumindest sind sie in der Lage, kurzfristig eine Zusammenrottung von 10, 20, 30, 40 Personen zu organisieren.“
Am späten Abend des 1. März griffen 30 bis 40 mutmaßlich rechtsextreme Täter den Jugendclub „Jamm” im südbrandenburgischen Senftenberg an. Weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle Türen verriegelten, wurde niemand verletzt. Auf Instagram veröffentlichte der Club danach ein Statement: „Willkommen in den 90ern - es ist kurz vor 1933!“, war das Fazit.
Pfarrer Pellio hält engen Kontakt zu den Jugendclubs der Region. Er sagt: „Drohungen gibt es auch an vielen anderen Orten, sodass diese Clubs jetzt vor der Frage stehen, ob sie überhaupt noch sicher ihr Programm anbieten können.“ Denn Sicherheitsdienste können sie sich nicht leisten.
rnd